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Baden-Württemberg: Wir können alles. Vor allem Cluster.

In Baden-Württemberg rühmt man sich, mit der Ausnahme von Hochdeutsch alles zu können. Ganz besonders gut scheint man bei der Bildung von Clustern zu sein: 120 solcher regionaler Zusammenschlüsse von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und öffentlichen Stellen gibt es im Südwesten Deutschlands – und die Landesregierung tut gut daran, diese zu unterstützen.

Die Clusterlandschaft Baden-Württembergs im Überblick (Bild: Cluster-Atlas 2016)

Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und obendrein auch noch der Jobmotor. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sind 99,6 % aller Unternehmen klein oder mittelständisch. Sie beschäftigen mehr als 60 % der rund 26,5 Millionen Arbeitnehmer und zeichnen sich für 56 % der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung verantwortlich.

Für Baden-Württemberg hat der Mittelstand eine ganz besondere Bedeutung: Nicht wenige traditionsreiche Familienunternehmen sind im Schwarzwald, auf der schwäbischen Alb oder am Bodensee beheimatet und haben sich von dort aus zu Spezialisten in ihrer Nische gemausert, zu Weltmarktführern und Hidden Champions. Sick von Waldkirch aus, Trumpf von Ditzingen und Festo von Esslingen. Jeder vierte deutsche Weltmarktführer kommt aus dem Ländle. Das ist beachtlich.

Der Wettbewerb belebt die Region

Den Weg dafür ebnete die Industrialisierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „In der Landwirtschaft war nicht viel zu holen, die Leute mussten sich etwas anderes überlegen. So entstanden viele Handwerksbetriebe, aus denen sich erfolgreiche Unternehmen entwickelt haben“, erklärt der Wirtschaftsprofessor Bernd Venohr in der WirtschaftsWoche.

In Tuttlingen etwa begann Gottfried Jetter im Jahr 1867 mit der Herstellung chirurgischer Instrumente. Bis heute hat sich aus seiner kleinen Werkstatt das Unternehmen AESCULAP mit knapp 3.500 Angestellten entwickelt. Und Tuttlingen wurde zu einer Hochburg für Medizintechnik mit 400 Unternehmen und rund 8.000 Beschäftigten.

Ähnlich verhält es sich in Karlsruhe: Im Jahr 1972 entschied man sich – noch vor allen anderen deutschen Hochschulen – eine Informatik-Fakultät einzurichten. In der Folge entstanden die ersten Softwareschmieden und weitere digitale Pioniere zogen zu. Heute sind es knapp 4.200 Unternehmen und 30.000 Arbeitsplätze, die die Region zu einem Zentrum der europäischen IT-Branche machen.
Abschottung oder Kooperation?

Netzwerke bündeln Wissen

So wie in Tuttlingen und Karlsruhe verhält es sich an vielen Standorten in Baden-Württemberg – die direkte Konkurrenz sitzt gleich um die Ecke. Nun mag man meinen, Abschottung sei die bevorzugte Methode, um seine Innovationen zu schützen und Talente nicht an Mitbewerber zu verlieren.

Doch weit gefehlt. Im Ländle vernetzt man sich, tauscht sich aus, lernt voneinander und kooperiert. Cluster nennen sich solche Zusammenschlüsse von Unternehmen, Zulieferern, Dienstleistern, Forschungsinstitutionen und öffentlichen Einrichtungen. Die Vorteile dieser Verbünde liegen auf der Hand: Cluster bündeln Wissen, fördern die Innovationsdynamik von Unternehmen und erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit der Region.

Clustermanagement Top-Down oder Bottom-up?

Um diese Vorteile weiß auch die Landesregierung. Und deshalb hegt und pflegt man seine Cluster-Initiativen. Aber nicht nach dem Top-Down-Prinzip wie etwa im benachbarten Freistaat, wo von München aus 17 Cluster koordiniert werden. In Baden-Württemberg setzt man auf die Eigenverantwortlichkeit seiner Cluster. Um den Netzwerken dabei das nötige Werkzeug zur Hand zu geben, hat das Wirtschaftsministerium die ClusterAgentur BW eingerichtet. Diese schult regionale Netzwerke und unterstützt das Clustermanagement.

Und dieses Bottom-Up-Prinzip scheint zu funktionieren. Cluster-Initiativen in Baden-Württemberg sind deutlich weniger von Fördermitteln abhängig als Netzwerke in anderen Regionen. 38 % Förderaufkommen im Ländle stehen 45 % im restlichen Deutschland und Europa gegenüber. „Die Cluster-Politik hat sich bewährt als ein ganz wichtiges Instrument der regionalen Wirtschafts- und Innovationspolitik speziell für kleinere und mittlere Unternehmen“, so Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg im Gespräch mit dem SWR.

Cluster: von Automotive bis zur Kreativbranche

120 solcher Cluster-Initiativen, landesweiter Netzwerke und Landesagenturen gibt es in Baden-Württemberg – mit den unterschiedlichsten regionalen und thematischen Ausprägungen. In Freiburg ist die Umwelttechnologie vorherrschend. In Mannheim ist es die Bio-Technologie, am Bodensee die Luft- und Raumfahrttechnik und in Stuttgart – wer hätte es gedacht – bestimmt die Automobilindustrie das Geschehen.

Tja, um das Auto kommt man eben nicht herum, wenn man über die Wirtschaft in Baden-Württemberg schreibt. Und wie man sieht, gilt das auch für Cluster.

Quelle: TECHTAG