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Interview mit GVD-Vorsitzenden Ingo Hell über die Entwicklungen in der Zerspanungsindustrie – „Wir wollen bleiben und vor Ort fertigen“

In der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg ist die Gemeinnützige Vereinigung der Drehteilehersteller e. V. (GVD) der Branchenvertreter für rund 800 Zerspanungsunternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitern und einem Gesamtumsatz von geschätzt circa einer Milliarde Euro. 2016 hat die GVD eine Umwandlung zu einer Cluster-Initiative beschlossen, die auf die Herausforderungen in der Zerspanungsindustrie noch besser eingehen soll. Helena Golz hat mit dem GDV-Vorsitzenden Ingo Hell über die wirtschaftliche Entwicklung der Branche im letzten Jahr und den aktuellen Stand der Entwicklung der Cluster-Initiative gesprochen.

Herr Hell, wie sieht die Branchenbilanz des vergangenen Jahres aus?

Der Großteil der zur GVD gehördenden Unternehmen war zufrieden, obwohl der Druck auf die Zulieferer zunimmt. Einige Zulieferer wandern ins Ausland ab. Dort werden vor allem die einfachen Teile kostengünstiger produziert. Deshalb müssen wir uns darauf konzentrieren speziell die komplexen und hochpräzisen Teile hier in der Region zu fertigen. Unser Ziel ist: Wir wollen bleiben und hier vor Ort fertigen und Arbeitskräfte beschäftigen. Wir stehen auch noch gut da, weil wir gute Arbeit leisten und gut beraten.

Wie blicken Sie auf das kommende Jahr 2017? Die Wirtschaftsprognosen sehen ja eher verhalten aus.

Das stimmt. Die Wirtschaftsweisen sagen ein geringeres Wachstum voraus. Besonders für die Automobilzulieferer in der GVD gibt es einen erhöhten Druck. Die Autobranche steht nicht mehr so gut da, weil man ganz ehrlich sagen muss, dass die Autohersteller manipuliert haben. Die Manipulation der Software bei VW oder Audi ist schlichtweg Betrug und wir als Automobilzulieferer müssen das ausbaden. Die Forderungen nach Einsparpotenzialen werden wir deshalb 2017 zu spüren bekommen. Es wird keinen abrupten Einbruch geben, aber wir rechnen sicher nicht mit Umsatzsteigerungen.

Wie viele Zerspaner befinden sich momentan in der Ausbildung in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg?

Im Moment befinden sich knapp 600 Zerspaner, inklusive circa 30 Zerspanungstechniker, in der Ausbildung an der Erwin-Teufel-Schule. Das ist eine super Zahl und ein neuer Rekord. Die Ausbildungsoffensive der GVD hat 1999 begonnen. Zu dem Zeitpunkt gab es 114 Lehrlinge. Im Vergleich dazu ist die heutige Zahl von circa 600 schon ein deutlicher Fortschritt. Ich muss aber dazu sagen, dass es leider viele Unternehmen gibt, die die Infrastrukturen der GVD, also die Vermittlung von Auszubildenden, nutzen, aber nicht als Mitglieder der GVD beitreten und Beiträge zahlen. Das ist sehr schade.

Im November haben Sie einstimmig die Umwandlung der GVD zu einer Cluster-Initiative beschlossen. Im Moment befinden Sie sich im Transformationsprozess. Was ist die Cluster-Initiative und was sind ihre Ziele?

Bisher hat sich die GVD vor allem auf die Aus- und Weiterbildung konzentriert. Die Cluster-Initiative soll nun darüber hinaus gehen. Wir fungieren dabei als eine Art Trichter. Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Branche auf und tragen diese an verschiedene Partner, wie zum Beispiel Fachhochschulen und Institute weiter, bis hin zur Politik. Wir wollen Workshops mit Experten anbieten oder Expertengruppen bilden, um die Branche aktiv mitzugestalten. Additive und hybride Fertigungsmethoden werden uns in Zunkunft mehr beschäftigen. Der heutige Beruf des Zerspaners wird in 10 Jahren ganz anders aussehen und darauf wollen wir reagieren.

Wie ist denn der aktuelle Stand bei der Entwicklung der Cluster-Initiative?

Offiziell wollen wir erstmals als Cluster-Initiative bei den Dreh- und Spantagen vom 25. bis 27. Januar in Schwenningen auftreten. Und im Mai oder Juni soll es eine erneute Vorstellung im Beisein der Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut geben.

Wie wird die Cluster-Initiative strukturell im Unterschied zur GVD aussehen?

Wir sind noch im Prozess. Aber es gibt auf jeden Fall eine neue Aufmachung. Wo die Geschäftsstelle sein wird steht noch nicht fest. Es soll aber einen offiziellen Cluster-Manager geben.

Übernehmen Sie diesen Sitz?

Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wie man in der Politik so schön sagt: Das erfahren Sie zu einem gegebenen Zeitpunkt.


Quelle: Schwäbische Zeitung