Thema des Monats

Mit der Reihe "Thema des Monats" werden monatlich neue inhaltliche Schwerpunkte aufgegriffen, welche den nationalen und internationalen clusterbezogenen Diskurs prägen. Anschaulich und praxisorientiert werden u. a. aktuelle Clustermanagement-Themen, neue Management-Instrumente, Erfolge aus Cluster-Initiativen und landesweiten Netzwerken oder zukünftige Handlungsfelder für Clusterorganisationen dargestellt.

Industrie 4.0 – die Rolle der Cluster-Initiativen im Wandel der Wertschöpfungsketten

Die Produktionstechnik ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Baden-Württemberg. Die Digitalisierung der Produktion, oftmals zusammengefasst unter dem Schlagwort Industrie 4.0, stellt die Produktionstechnik vor ganz neue Herausforderungen. Industrie 4.0 induziert umfangreiche qualitative Veränderungen im produzierenden Gewerbe mit signifikanten Auswirkungen auf bestehende und zukünftige Wertschöpfungsketten. Gleichzeitig sind aber gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in den dynamisch entwickelnden und sich verändernden Wertschöpfungsketten ein Hauptbetroffener dieses neuen Paradigmas. Es ist daher nicht verwunderlich, dass KMU dem Thema Industrie 4.0 verunsichert gegenüberstehen, da für diese oftmals nicht klar ist, was diese Form des industriellen Transformationsprozesses für sie bedeutet bzw. wann und wie sie diesen am besten begegnen.

Td M September 2015
Aktuelle Aktivitäten der Clustermanagements im Zusammenhang mit Industrie 4.0 (© Clusteragentur Baden-Württemberg)

Cluster-Initiativen repräsentieren in der Regel eine signifikante Anzahl von KMU und haben sich in der Vergangenheit als gutes Instrument erwiesen, Unternehmen in Hinblick auf deren Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit wirkungsvoll zu unterstützen. Viele von diesen haben wirkungsvolle Dienstleistungen und Services im Sinne ihrer Mitglieder, vorwiegend KMU, implementiert, die helfen, zukünftige Entwicklung richtig einzuschätzen bzw. sich gegenüber Trends angemessen zu positionieren. Doch können Cluster-Initiativen auch im Kontext Industrie 4.0 eine nachhaltige Rolle als Coach und Mittler zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik einnehmen? Und welche sinnvolle Rolle können diese neben der Allianz Industrie 4.0 BW und der Leichtbau BW einnehmen? Aber auch wo liegen die möglichen Grenzen der Cluster-Initiativen?

Im Kontext einer ersten Sachstandsanalyse wurden die neun leistungsfähigsten Clustermanagements in Baden-Württemberg, welche mit dem Baden-Württemberg Exzellenz-Label ausgezeichnet sind, befragt. Auch wenn die Grundgesamtheit von sieben (sieben der neun Befragten haben bei der Umfrage teilgenommen) durchaus kritisch gewürdigt werden muss, so zeichnet sich doch ein relativ klares Bild ab. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass diese sieben Cluster-Initiativen gemeinsam etwa 2000 Unternehmen und mehr als 100 Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen repräsentieren. Im Übrigen stellen die inhaltlichen Schwerpunkte der betreffenden Cluster-Initiativen ein Spiegelbild der regionalen Wirtschaftsschwerpunkte Baden-Württembergs dar.

Wesentliche Ergebnisse in der Zusammenfassung:

  • Die Digitalisierung der Produktion führt signifikant zu veränderten bzw. neuen Geschäftsmodellen
    Alle Clustermanagements erwarten bei ihren Mitgliedern, dass die Digitalisierung der Produktionsprozesse zu signifikanten Änderungen bestehender Geschäftsmodelle mit unterschiedlicher Ausprägung führt. Erwartet werden vor allem das Aufkommen neuer technischer und IKT-basierter Dienstleistungen (post-sales) sowie eine (horizontal) verlängerte Wertschöpfungskette. Hier werden auch besondere Chancen für innovative KMU gesehen. Hier ist der etablierte (Groß-) Mittelstand vergleichsweise aktiv, insbesondere aus Segmenten, die für die Industrie 4.0 potentiell neue Märkte bzw. Geschäftsfelder eröffnen kann (IKT-Wirtschaft oder Ausrüster Automatisierungstechnik etc.).

  • Fachkräftemangel und Datensicherheit stellen wesentliche Risikofaktoren aus Sicht der Clusterakteure dar
    Neben den sich abzeichnenden Chancen können seitens der Clustermanagements auch einige Risiken und Herausforderungen der Clusterakteure identifiziert werden. Herausragend ist das Thema Fachkräfte unter dem sowohl der notwendige Weiterbildungsbedarf (gerade gewerblicher Arbeitnehmer), die Verfügbarkeit neuer, themenbezogen qualifizierter Arbeitskräfte, die Risiken der Vernichtung von Arbeitsplätzen (in der etablierten Industrie) verstanden werden, aber auch die "Systems Engineers" und Manager mit Erfahrung in firmenübergreifenden Projekten, die heute noch an keiner (Hoch-) oder Fachschule ausgebildet werden. An zweiter Stelle steht bereits das Thema Datensicherheit.

  • Migration von Industrieausrüstungen könnte eine praktikable Antwort für den produzierenden Mittelstand sein
    Während große Unternehmen eher kürzere Investitionszyklen bei ihren Produktionsausrüstungen aufweisen und somit zukünftig Industrie 4.0-kompatible Maschinen und Anlagen anschaffen dürften, sind bei vielen produzierenden KMU längere Investitionszyklen gängig. Das gilt besonders im Bereich von Spezialmaschinen, nicht ständig genutzten Maschinen oder sehr großen Maschinen. Es ist davon auszugehen, dass die Migration erheblicher Teile der bestehenden Produktionstechnikparks gerade in KMU auf Industrie 4.0-Fähigkeit erfolgen wird. Die Durchführung solcher Migrationen (Retrofit 4.0) dürfte für Maschinen- und Anlagenbauer und deren Zulieferer (u. a. Hersteller von vernetzbarer Sensorik, entsprechend ausgelegten Steuerungen oder Middleware) auf absehbare Zeit ein interessantes Geschäftsmodell werden. Gleichzeitig eröffnet diese Vorgehensweise den produzierenden KMU ohne Überlastung ihres Investitionsbudgets den Anschluss an das Paradigma Industrie 4.0 zu behalten.

  • Cross-Clustering und Informationsgenerierung sind wichtige Services seitens der Clustermanagements
    Die Clusterakteure artikulieren einen hohen und gleichzeitig diversifizierten Informationsbedarf im technischen und nichttechnischen Bereich. Als Antwort hierauf haben viele der befragten Clustermanagements verschiedene Services implementiert, um ihre Mitglieder zu unterstützen. Zum einen steht die Informationsgenerierung und der -austausch sehr weit oben auf der Aktivitätsliste der Clustermanagements. Hier reicht das Spektrum von grundsätzlichen Informationsveranstaltungen bis hin zu einer intensiveren Beschäftigung in Arbeitskreisen. Zum anderen wird aber durch Cross-Clustering-Aktivitäten die Zusammenarbeit von Clusterakteuren aus verschiedenen Cluster-Initiativen seitens der Clustermanagements unterstützt, um neue technische Lösungen als Antwort auf die sich aus Industrie 4.0 ergebenen Herausforderungen zu schaffen. Hier agiert das Clustermanagement als Initiator und Moderator. Gleichzeitig sind sich die meisten Clustermanagements aber auch bewusst, dass ein hoher Bedarf an neuen Servicekonzepten besteht, um die Bedarfe der Clusterakteure noch zielgerichteter zu befriedigen.

  • Die Clustermanagements fühlen sich unterschiedlich gut auf die Herausforderungen ihre Mitglieder vorbereitet
    Auch wenn alle befragten Clustermanagements sich bereits mit dem Thema Industrie 4.0 beschäftigt haben, so wird doch deutlich, dass dies in einem sehr unterschiedlichen Maße passiert. Einige Clustermanagements stehen dem Thema sehr offen gegenüber und fühlen sich fachlich gut aufgestellt. In diesen Fällen wird das Thema Industrie 4.0 seitens des Clustermanagements sehr aktiv angegangen und eine Reihe von Cross-Clustering-Aktivitäten initiiert. Andere dagegen verfügen über recht wenig Erfahrungen und nähern sich dem Thema eher reaktiv.

Fazit
Clustermanagements in Baden-Württemberg haben die Wichtigkeit des Themas Industrie 4.0 vielfach erkannt und sind dabei sich entsprechend zu positionieren. Die Mehrzahl der Clusterakteure sehen die Clustermanagements in einer wichtigen unterstützenden Rolle. Zumindest die leistungsfähigsten Clustermanagements haben, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, erste Maßnahmen und Services im Sinne ihrer Mitglieder implementiert, welche von Informationsgenerierung bis hin zu konkreten Cross-Clustering-Projekten reichen.
Es wird aber auch deutlich, dass sich die Clustermanagements unterschiedlich gut vorbereitet fühlen. Genau hier setzt die Arbeit der ClusterAgentur Baden-Württemberg an. Mit speziellen Unterstützungskonzepten, z. B. "All-Stars meet Rookie", Cross-Clustering oder Innovations-Matching, sollen die Clustermanagements verstärkt in die Lage gesetzt werden, ihre Mitglieder bei der Lösung der bevorstehenden Herausforderungen zu helfen.

Für Fragen rund um das Thema Cluster-Initiative und Industrie 4.0 können Sie gern die ClusterAgentur Baden-Württemberg kontaktieren: Dr. Gerd Meier zu Köcker, Tel. +49 711 123-3034; mzk@clusteragentur-bw.de

Ansprechpartner/-in
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