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BioFabNet – Bioökonomie im Praxistest

Weltweit engagieren sich Forscher und politische Akteure für den Aufbau einer Bioökonomie. Da dieser Fortschritt entscheidend davon abhängt, inwieweit er von der breiten Bevölkerung mitgetragen wird, initiierte die BIOPRO Baden-Württemberg GmbH die Kommunikationskampagne Biobased Fabrication Network (BioFabNet) als Beispiel für bioökonomisches Handeln.

Ziel des Projektes war, mithilfe neuer biobasierter Filamente für den 3D-Druck, die Öffentlichkeit mit den zukünftigen Möglichkeiten einer biobasierten Wirtschaft bekannt zu machen. Dafür wurde eine noch junge Community aus Anwendern von 3D-Druckern im professionellen, semiprofessionellen und privaten Bereich angesprochen. Diese sollten sich über die Testung der im Projekt entwickelten neuen Biokunststofffilamente hinaus mit einer Bioökonomie auseinandersetzen und die Möglichkeiten einer biobasierten Wirtschaft weitertragen. Auf diese Weise sollte auch den biobasierten Materialien schneller zum Durchbruch verholfen werden.

Dafür machten sich das Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart, das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) und die BIOPRO Baden-Württemberg in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt gemeinsam auf den Weg.

Biobasierte Materialien auf dem Prüfstand

Das IKT sorgte für die richtige Materialmischung und extrudierte die Filamente, die das Fraunhofer IPA anschließend auf deren Verarbeitungseigenschaften im 3D-Drucker prüfte. Unterschiedlich geblendete Biokunststofffilamente auf PLA-Basis waren das Ergebnis. Die BIOPRO Baden-Württemberg war sowohl für die Gesamtkoordination als auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Dazu gehörten auch der Aufbau und die Betreuung der BioFabNet-Community - eine Gemeinschaft aus Anwendern von 3D-Druckern, die die neu entwickelten Filamente auf ihren eigenen Geräten testeten.

Neben frei gewählten Objekten druckten die Materialtester Prüfkörper - Zugversuchsstäbe und ein Puzzleteil -, die anschließend von Experten maschinen- und materialseitig ausgewertet wurden. Anhand der Auswertung der Zugversuchsstäbe am IKT erhielten die Materialtester ingenieurtechnische Parameter wie E-Modul, Maximalspannung und Bruchdehnung. Die Puzzleteile wurden am IPA begutachtet. Eingeteilt in fünf Teilbereiche, die getrennt voneinander beurteilt wurden, erfolgte die Gesamtbewertung.

Das E-Modul beschreibt den Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung bei der Verformung eines festen Körpers bei linear elastischem Verhalten. Die Maximalspannung, auch Streckgrenze genannt, gibt bei Kunststoffen die Spannung bezogen auf den Querschnitt an, ab welcher sich der Kunststoff dehnt, ohne die Spannung zu erhöhen. Der Wert entspricht der höchsten Spannung, die der Kunststoff bzw. Zugstab aushalten kann. Nachdem diese Spannung aufgetreten ist, dehnt sich der Zugstab, bis er schließlich bricht. Der dritte Kennwert ist die Bruchdehnung, sie wird auch als Dehngrenze bezeichnet. Sie gibt die Dehnung in Prozent bezogen auf die Ursprungslänge an, bis der Zugstab bricht.

Die Materialtester beurteilten die Filamente und dokumentierten diese anschließend zusammen mit ihren Druckergebnissen auf dem eigens dafür eingerichteten Weblog www.biofabnet-blog.de, der auch als Plattform für den Austausch der Tester untereinander genutzt wurde. Auf Basis des Feedbacks der BioFabNet-Community wurden die Filamentmaterialien weiter optimiert.

Die Bioökonomie verstehen und in die Welt tragen

Um die Akzeptanz für die Bioökonomie in der Gesellschaft zu erhöhen, bedarf es neben neuer biobasierter Materialien, die die Möglichkeiten einer biobasierten Wirtschaft verdeutlichen, auch eines grundlegenden Wissens über die Chancen und Risiken neuer Technologien sowie deren Nutzen für jeden Einzelnen. Dies wurde zum einen durch thematische Fachbeiträge auf der BioFabNet-Projektseite erreicht als auch im persönlichen Gespräch. So beteiligte sich das BioFabNet-Team auf zahlreichen Veranstaltungen und Messen, bei denen auch die Materialtester vor Ort waren und sich an Diskursen zum Thema Bioökonomie einbrachten, Fragen stellten und so ihre Meinung verfeinern und Hemmschwellen abbauen konnten.

Ein besonderes Highlight war die Einladung des Konradin Verlags, das Projekt auf dem medizin&technik-Stand der Medtec Europe 2014 zu präsentieren. Um die Schnittstellen zwischen Medizintechnik und 3D-Druck aufzuzeigen, stellte das Fraunhofer IPA freundlicherweise zwei Exponate aus dem Medizintechnikbereich zur Verfügung, die mit generativen Fertigungsverfahren hergestellt wurden.

"Der 3D-Druck spielt immer dann eine wichtige Rolle, wenn es um kleine Stückzahlen bis hin zu Einzelstücken geht. Es müssen keine aufwendigen Formen erstellt werden, durch Stützstrukturen entfällt dieser Schritt", erklärt Prof. Dr. Ralf Kindervater, Geschäftsführer der BIOPRO Baden-Württemberg und Koordinator des Projekts. "Allerdings müssen wir die Materialvielfalt auf ein ähnliches Niveau bringen, wie es derzeit für das Spritzgussverfahren der Fall ist."

Viele Beteiligte, ein Ziel

Im Projekt ist es gelungen, neue biobasierte Filamentmaterialien zu entwickeln und diese für den Einsatz auf kommerziellen 3D-Druckern zu optimieren. Außerdem konnte eine Community aus über 70 Materialtestern aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und sogar aus Irland gewonnen werden, die sich neben den Materialtests auch für das Thema Bioökonomie begeistern ließen. So wurden die Materialtester auch zu Botschaftern einer biobasierten Wirtschaft.