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Die innovative Software-Plattform macht komplexe Simulationstechnologie auch für KMU zugänglich und einfach nutzbar.

Computer-Aided Engineering (CAE) mittels Simulation ist nicht nur für den Leichtbau extrem wichtig, um Konstruktionen am PC zu optimieren – nur leider ist meist ein hoher finanzieller, zeitlicher und personeller Aufwand dafür nötig. Warum also nicht einfach numerische Simulationen mit Hilfe von maschinellen Lernverfahren und künstlicher Intelligenz automatisieren und einen cleveren Algorithmus die Arbeit machen lassen? Das dachten sich die drei Gründer der Karlsruher Renumics GmbH und haben eine Software-Plattform entwickelt, die Simulationstechnologie nicht nur um ein vielfaches einfacher nutzbar macht, sondern auch deutlich kostengünstiger werden lässt.

Crash-Tests sind bei der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs ein unverzichtbares Tool für die Konstrukteure. Doch lange bevor ein Prototyp das erste Mal einem Kollisionsversuch im Testlabor unterzogen und vor eine Wand gefahren wird, stehen viele Simulationen am Computer an. Dazu muss das CAD-Modell in ein Simulationsmodell überführt werden, was schnell mehrere hundert Arbeitsstunden in Anspruch nehmen kann. Denn das Verfahren ist sehr aufwändig; es sind viele manuelle Schritte und einzelne „Klicks“ am PC notwendig, um dem Modell die spezifischen physikalischen Eigenschaften der Bauteile und Materialien zuzuweisen. Außerdem ist dabei großes Know-how gefragt, weshalb die Erstellung einer komplexen Simulation von Berechnungsingenieuren durchgeführt wird.

„Dieser hohe personelle und finanzielle Aufwand hat dazu geführt, dass Simulationen oft nur in großen Konzernen stattgefunden haben. In KMUs wurde darauf bisher oft verzichtet“, erklärt Dr. Stefan Suwelack, einer der drei Gründer von Renumics. Die Software-Plattform des Karlsruher Start-ups soll gerade kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, auch auf Simulationstechnik zurückgreifen zu können. „Bei unserer Art des maschinellen Lernens bringt der Mensch dem Computer bei, wie etwa Geometrien zu verstehen oder wie Arbeitsabläufe auszuführen sind, damit diese Prozesse, die noch manuell ausgeführt werden, später automatisiert ablaufen können“, sagt Suwelack.

Computer übernimmt die Aufbereitung der Geometriedaten

Das entlastet nicht nur die Berechnungsingenieure bei ihrer Arbeit. Der große Vorteil der Software-Lösung von Renumics ist, dass sich durch die Automatisierung viel Zeit und Kosten bei der Erstellung einer Simulation einsparen lassen. „Außerdem machen wir die Prozesse gerade für KMU zugänglicher und ermöglichen ihnen so den Zugriff auf diese Technologie“, so Suwelack weiter. Die Software könne auch von nicht-Experten bedient werden, die über keinen dezidierten Simulations-Background verfügen. „Unsere Philosophie ist es, mit der Renumics-Plattform eine Art Baukastensystem anzubieten. Die bisherige Software ist meist sehr komplex. Wir setzen lieber auf weniger umfangreiche Simulations-Apps, die dafür auf ein Anwendungsgebiet spezialisiert sind.“

Produktionsprozess digital abbilden

Dem Algorithmus könne man beispielsweise auch die Interpretation von Messergebnissen beibringen, ob es sich etwa um einen guten oder ein schlechtes Messergebnis handelt. Großes Potential für die Software sieht Dr. Stefan Suwelack auch beim Thema design to cost und der digitalen Abbildung ganzer Produktionsprozesse. Durch die Simulation könne man am PC schnell und einfach abschätzen und verfolgen, wie sich etwa die Herstellungskosten ändern, wenn ein Material oder ein Bauteil ausgetauscht wird. Auch der Einsatz zur Topologieoptimierung im Maschinenbau sei denkbar. Mit einem reduzierten Bauteilgewicht lassen sich dann nicht nur die Herstellkosten senken – bei beweglichen Teilen kann man Antriebe kleiner dimensionieren, weil weniger Masse bewegt werden muss. Das senkt im zweiten Schritt neben dem Energieverbrauch auch CO2-Emissionen.

Optimierung auf Knopfdruck

„Ich denke außerdem an den Bereich additive manufacturing: Unsere Software könnte beispielsweise dabei helfen, automatisch zu berechnen, ob sich ein Modell überhaupt additiv herstellen lässt oder wie sich das Material vielleicht besser verarbeiten lassen würde – und das alles voll automatisiert, sozusagen auf Knopfdruck“, meint der Renumics-Gründer. Gerade für den Leichtbau ist Optimierung mittels Simulation mittlerweile unverzichtbar. „Da wir besonders im Leichtbau oft an die Grenzen des Materials und der Struktur gehen, müssen wir immer wieder virtuell testen und ausprobieren, ob die Teile wirklich halten, um das Testergebnis wieder zurück in den ursprünglichen Konstruktionsprozess einfließen zu lassen. So lässt sich die Konstruktion nach und nach verbessern. Mit der Digitalisierung kann man diesen Prozess und die notwendigen Rückkopplungsschleifen enorm beschleunigen“, erklärt Dr. Wolfgang Seeliger, Geschäftsführer der Leichtbau BW GmbH.

Laut Suwelack sei beispielsweise auch der Einsatz der Software zur Simulation über den gesamten Produktlebenszyklus ein weiteres denkbares Szenario, etwa bei der Wartung von Bauteilen: Die realen Messwerte könne man mit dem „digitalen Zwilling“ und den Werten der virtuellen Sensoren vergleichen, um etwa verdeckte Schäden wie Risse oder Vibrationen aufzuspüren. „Jedoch gibt es die Besonderheit, dass der Algorithmus später genau so arbeitet, wie er trainiert wurde. Jeder Anwender trainiert die Algorithmen mit seinen eigenen Daten, so dass Anwender A schließlich eine andere Version verwendet als Anwender B“, so Suwelack. Mehrere Pilotkunden unter anderem aus der Automobil- und Kunststoffindustrie nutzen bereits die Software von Renumics. „So konnte beispielsweise die Nachverarbeitung von Simulationsergebnissen im Bereich der Vibrationsanalyse erstmals automatisiert werden“ sagt Suwelack.

Über Renumics

Die Renumics GmbH wurde im Februar 2017 gegründet. Der Name setzt sich aus den Begriffen „rethink numerics“ zusammen. Die drei Gründer kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit aus dem Forschungsbereich der Medizintechnik am KIT. Das Team greift heute auf die Erfahrungen und den Forschungshintergrund im Bereich der numerischen Simulation und des Cognitive Computing zurück und hat sich auf Softwareentwicklung und CAE spezialisiert.

Quelle: Leichtbau BW