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Markt- und Technologie-Trends der Leitmärkte Wasser, Kreislaufwirtschaft und Luft unter der Lupe

Drei Leitmärkte, drei Zeithorizonte, über 30 Trends – die Roadmap Umwelttechnik setzt sich intensiv mit den Zukunftstrends der Umwelttechnikbranche auseinander. Im Rahmen des Forums Umwelttechnik „Roadmap Umwelttechnik: Den Märkten der Zukunft auf der Spur“ brachten sich 110 Teilnehmer auf den neuesten Stand über neun ausgewählte Markt- und Technologie-Trends, die durch Fachexperten und Branchenvertreter präsentiert wurden.

Roadmap Umwelttechnik bis 2030 – 31 Trends auf der Spur

Um die aussichtreichsten Zukunftstrends für die in Baden-Württemberg wichtige Umwelttechnikbranche zu erfassen, hat die Landesagentur Umwelttechnik BW gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO und dem INEC der Hochschule Pforzheim eine Roadmap Umwelttechnik erarbeitet. Im Forum Umwelttechnik am 11. Mai 2017 im Stuttgarter GENO-Haus wurden die Ergebnisse der Studie erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

In seiner Begrüßung ging Dr.-Ing. Hannes Spieth, Geschäftsführer von Umwelttechnik BW, auf die Grundüberlegungen und den gesamten Ablauf für die Erstellung der Roadmap ein. Die Vorgehensweise zur Entwicklung der Roadmap Umwelttechnik sowie der Rahmen, Ziele und die Visualisierung wurden von Dr.-Ing. Sven Schimpf vom Fraunhofer IAO, Stuttgart und Mitverfasser der Studie im Detail beschrieben. Prof. Dr.-Ing. Claus Lang-Koetz von der Hochschule Pforzheim (INEC), ebenfalls Mitverfasser der Roadmap, zeigte eine Übersicht über die Inhalte aller 31 Trends für die Leitmärkte Wasser, Kreislaufwirtschaft und Luft.

Trends des Leitmarkts Wasser

Dr.-Ing. Tobias Morck, Abteilungsleiter Konzepte und Beratung bei Weber-Ingenieure GmbH (Pforzheim), gab tiefe Einblicke in das Thema der steigenden Bedeutung von Energieeffizienz auf kommunale Kläranlagen. Zur Steigerung der Energieeffizienz gibt es eine große Bandbreite an Ansatzpunkten in der Abwasserreinigung und in der Schlammbehandlung im Rahmen einer energieoptimierten Betriebsführung sowie bezüglich einer energieeffizienten Aggregatetechnik. Die höchsten Energieeinsparpotenziale sieht er bei der biologischen Stufe. Durch die Umstellung von manueller Führung auf Luftverteilregelung wurde beispielsweise im Hauptklärwerk Stuttgart-Mühlhausen bis zu 25 Prozent des Energiebedarfs für die biologische Stufe eingespart.

Die Weiterentwicklung und Verbreitung von Verfahren zur Phosphorrückgewinnung aus kommunalen Abwässern wurden von Carsten Meyer, Arbeitsbereichsleiter Abwassertechnik an der Universität Stuttgart (ISWA), näher erläutert. In Europa sind circa 30 Anlagen zur Phosphorrückgewinnung im Betrieb, die meisten in den Niederlanden, in Deutschland und in Belgien. Bisher war vor allem ein „push“ des Trends durch die Wissenschaft und wenige Firmen spürbar. Ein „pull“ des Markts wird entstehen durch die weitere Verknappung und höhere Preise des Rohphosphats und durch gesetzliche Vorgaben. Die Aktualität des Trends zeigt die Abstimmung des Bundesrats über die Novelle der Klärschlammverordnung am 12. Mai 2017. Die Neufassung sieht vor, dass bei größeren Kläranlagen Phosphor aus Klärschlamm oder Klärschlammaschen zurückgewonnen werden muss.

Dr. Achim Gahr, Business Development Manager Environmental bei Endress+Hauser Conducta GmbH+Co. KG, machte in seinem Vortrag deutlich, wie die steigende Verbreitung von Sensoren eine große Rolle für die Zukunft der Siedlungswasserwirtschaft spielt. Smarte Digitalsensoren, intelligente Sensorüberwachung sowie innovative Informationssysteme für die Messdatenverarbeitung sind notwendig um die Wasserwirtschaft 4.0 voranzutreiben.

Trends des Leitmarkts Kreislaufwirtschaft

In seinem Vortrag ging Walter Feeß, Geschäftsführer von Heinrich Feeß GmbH & Co. KG und Träger des Deutschen Umweltpreises 2016, auf die Trends der Zunahme des Recyclings von Baustoffen und des Anfalls von Verbundbaustoffen zum Recycling ein. „Abbruchgebäude sind die Rohstoffvorkommen der Zukunft!“, so Feeß. In seiner Firma werden über 40 Sorten von Qualitäts-Recycling-Baustoffen aus mineralischen Abfällen produziert. Durch eine neuartige Bodenwaschanlage gelingt es seinem Unternehmen, Rohstoffe durch Nassklassierung zurückzugewinnen. Auf das Firmengelände baute Feeß ein Recyclingzentrum mit angeschlossenem Schulungszentrum aus Recycling-Beton.

Dr. Wiltraud Wischmann, Fachgebietsleiterin PV Materialforschung im Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung, berichtete über die Zunahme der Anwendung und Technologieentwicklung bei Photovoltaik-Recycling. Seit etwa 15 Jahren gibt es Forschungsprojekte über Photovoltaik-Recycling, jedoch findet noch keine industrielle Umsetzung statt, da bisher ökonomisch sinnvolle Mengen fehlen und die Prozesse noch nicht ausgereift sind. Da Deutschland bis 2015 der weltgrößte Markt für PV-Anlagen war, werden hier die Altmodul-Volumina in den nächsten 30 Jahren stark zunehmen. Das verpflichtende Recycling von PV-Modulen wird derzeit erfüllt, indem das Glas, eventuell auch der Metallrahmen, wieder in den Kreislauf zurückgeführt wird. Die geringen Massen der jedoch weitaus werthaltigeren Anteile wie Silber werden bislang deponiert. Hier sieht Wischmann eine Chance für Firmen im Bereich Recycling und Elektroschrott ihr Know-how zu erweitern und Märkte in Deutschland und ganz Europa zu erschließen.

Der Trend der zunehmende Anwendung und Weiterentwicklung von Verfahren zur sortenreinen Trennung wurde von Jochen Moesslein, Geschäftsführer von Polysecure GmbH, näher erläutert. Die sortenreine Trennung wird als Voraussetzung für höherwertiges Recycling gesehen. Dieser Trend ist insbesondere für Bioabfälle, Kunststoffe und Verbundwerkstoffe relevant. Das Unternehmen hat ein Sortierungsverfahren mit Tracer Based Sorting entwickelt, in dem Fluoreszenz-Marker in den Materialien detektiert werden. Die erste Anwendung mit Mahlgut von PVC-Fenstern wurde erfolgreich umgesetzt, aber eine Standardisierung des Verfahrens ist weiterhin erforderlich.

Trends des Leitmarkts Luft

In ihrer Präsentation gab Barbara Klein, Abteilungsleiterin Brennstoffe und Rauchgasreinigung an der Universität Stuttgart (IFK), einen Überblick über die verschiedene Verfahren zur Abscheidung von Quecksilber und deren Weiterentwicklung. Die immer flexiblere Kraftwerksführung machen spezifische Verfahren erst möglich. Beispielsweise können Additive für die Abscheidung eingesetzt werden. Klein gibt jedoch zu bedenken, dass die Additive mit dem Quecksilber im REA-Gips landen könnten und dieser zur unerwünschten Schwermetallsenke wird.

Das Thema der Verbreitung von Verfahren zur Energierückgewinnung aus der Abluft wurde von Dr. Johann Halbartschlager, Senior Expert bei Eisenmann Anlagenbau GmbH & Co. KG, vertieft behandelt. Verschiedene Verfahren sind schon seit Jahren großtechnisch umgesetzt, aber der Wirkungsgrad einzelner Anlagen hängt von der Quelle sowie vom Abluftstromvolumen und der Temperatur ab. Die Firma Eisenmann hat ein Verfahren entwickelt, in dem ein Adsorptionsrad mit Dampfkessel oder BHKW gekoppelt werden kann, um eine integrierte Abluftreinigung mit Erzeugung von Strom und Kälte zu gewährleisten.

Helmut Kurz, Vertriebsleiter bei ENTECCOgroup GmbH & Co. KG, hat den Trend zur Weiterentwicklung der Verfahren zur Entstaubung vorgestellt. Extrem niedrige Feinstaubemissionen können mit Spülluft abgereinigten Filtern erreicht werden. Dafür muss ein optimaler Betrieb zwischen Filtermedium, Abreinigungszyklus und Spülluftimpuls gefunden werden.

Den Schlusspunkt des Leitmarkts Luft setzte der Pitch eines Start-ups, das eine eigene Lösung für den Trend Feinstaub entwickelt hat. Dénes Honus, CEO von Green City Solutions GmbH, beschrieb wie der City Tree, ein neuartiges Stadtmöbel mit Mooswänden, Feinstaubpartikel aus der Luft absorbiert. Die Moose der City Trees können die Feinstaubbelastung in der Stadtluft um bis zu 30 Prozent reduzieren. City Trees sind schon in 14 Städten in Europa im Einsatz.

Eine Ausstellung zu den drei Leitmärkten der Roadmap rundete das Forum Umwelttechnik ab. Die dort diskutierten visualisierten Trenddatenblätter sind nach der Veranstaltung bei Dr.-Ing. Anette Zimmermann, Teamleiterin Umwelttechnik BW, erhältlich.

Quelle: UTBW