You are here:

Expertendialog: Automatisiertes Fahren - Segen oder Fluch?

Welche Auswirkungen hat automatisiertes Fahren auf das Verkehrssystem, das Nutzerverhalten und die Siedlungsstrukturen? Dieser Frage gingen über 70 Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft beim e-mobil BW-Expertendialog am Mittwoch in Stuttgart nach. Vor allem, wie ein verantwortungsbewusster Umgang mit Technik aussehen sollte und wie Wechselwirkungen frühzeitig identifiziert werden können, stand im Mittelpunkt der Diskussion. "Es geht darum, rechtzeitig die richtigen Weichenstellungen und Rahmenbedingungen zu diskutieren und umzusetzen, damit die Technologie in der Gesellschaft eine positive Wirkung entfalten kann", sagte Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter für nachhaltige Mobilität im Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg. Grundlage für die lebhafte Diskussion bildete die Vorstellung zweier vom Landesverkehrsministerium geförderter Studien.

Christoph Erdmenger (Verkehrsministerium BW), Ulrich Weber (VDV), Prof. Barbara Lenz (DLR Berlin), Dr. Wolfgang Fischer (e-mobil BW) v.l.n.r.; Bildquelle: e-mobil BW

Studie identifiziert positive und negative Potenziale

"Automatisierung bietet Chancen, den Öffentlichen Verkehr von heute um flexible und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Angebote zu ergänzen. Das eröffnet einerseits ganz neue Potenziale und erfordert andererseits veränderte Rahmenbedingungen und geeignete Steuerungsmaßnahmen. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vorhanden", sagte die DLR-Institutsleiterin Prof. Dr. rer. nat. Barbara Lenz, die mit ihrem Team die Studie "Automatisiertes Fahren im Personen- und Güterverkehr - Auswirkungen auf den Modal-Split, das Verkehrssystem und die Siedlungsstrukturen" erstellt hat. Die Ergebnisse der DLR-Studie sowie der zweiten vorgestellten Studie "Modellergebnisse geteilter autonomer Fahrzeugflotten des ÖPNV" der Uni Stuttgart zeigen, dass neben den häufig thematisierten Potenzialen der Technik auch negative Effekte identifiziert werden können. Viele Vorteile können dagegen kurz- und mittelfristig noch nicht oder nur teilweise aktiviert werden. So wird durch den Einsatz automatisierter Fahrzeuge z. B. mit Effizienzsteigerungen im Verkehr gerechnet, die auch zu einem Rückgang der CO2-Emissionen fahren können.

Grad der Durchdringung mit automatisierten Fahrzeugen ist entscheidend

Die Ergebnisse der DLR-Studie weisen allerdings darauf hin, dass diese Effizienzsteigerungen derzeit noch Unsicherheiten unterworfen sind, die ganz wesentlich vom Grad der Durchdringung der Flotte mit automatisierten Fahrzeugen abhängen. Hochautomatisierte Fahrzeuge versprechen ein hohes Maß an Sicherheit, eine Verbesserung des Verkehrsflusses und modernen Komfort und bringen damit für die Menschen ein Mehr an Lebensqualität. Automatisiertes Fahren ermöglicht - das ist ein weiteres Potenzial der Technik - außerdem neue attraktive Mobilitätsangebote zu konkurrenzfähigen Preisen sowie insgesamt einer erweiterten Nutzergruppe den Zugang zur motorisierten Individualmobilität. Andererseits kann es durch die Attraktivitätssteigerung von automatisierten Individualfahrzeugen insgesamt zu einer Zunahme des motorisierten Individualverkehrs bei gleichzeitiger Schwächung des Öffentlichen Verkehrs kommen.

Weitere Diskussionen notwendig

Der e-mobil BW Expertendialog zum Automatisierten Fahren zeigte auf, wie wichtig ein faktenbasierter und interdisziplinärer Austausch bei diesem Thema ist und fortgesetzt werden muss. Viele Fragen sind derzeit noch offen: Dies reicht von Kosten- und Komfortaspekten über Zulassungs- und Haftungsfragen bis zu der Frage, welche Rolle die Elektromobilität bei der Umsetzung automatisierter Konzepte spielt. Last but not least: Wer wird letztendlich selbstfahrende Autos herstellen - die traditionelle Automobilindustrie oder neue Wettbewerber? Auch im Strategiedialog Automobilwirtschaft BW werde das Thema automatisiertes Fahren eine wichtige Rolle einnehmen.

Quelle: e-mobil BW