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MedicalMountains legt neues MDR-Positionspapier vor / Inhalte spiegeln Branchenkonsens wider / Rasche Umsetzung angemahnt

Im Fokus stehen mehr Planungssicherheit, weniger Kosten und ein angemessener Aufwand bei der Umsetzung: Gemeinsam mit Herstellern hat die MedicalMountains GmbH ein neues Positionspapier zur MDR erarbeitet. Adressiert an Entscheidungsträger in Brüssel, sind die Forderungen mit konkreten, pragmatischen und rasch umsetzbaren Lösungsvorschlägen untermauert.

Person mit Zeitschrift in der Hand
Die bisherigen Nachbesserungen reichen nach Ansicht der MedicalMountains GmbH und den beteiligten Herstellern nicht aus, die eigentlichen Probleme der MDR zu beheben: Adressiert an Entscheidungsträger in Brüssel, sind die Forderungen des Positionspapiers mit konkreten, pragmatischen und rasch umsetzbaren Lösungsvorschlägen untermauert. | Foto: © MedicalMountains GmbH

Die Diskussion verlief emotional, aber konstruktiv. Direktor Rainer Becker und Peter Bischoff-Everding von der DG SANTE, der Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bei der EU-Kommission, waren Teil einer Delegation, die am 25. Juni auf Einladung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg und der MedicalMountains GmbH zur „Fact Finding Mission“ nach Tuttlingen gekommen war. Mit rund 60 Vertreterinnen und Vertretern aus der Medizintechnik reflektierten sie den regulatorischen Status quo. „Dieser Dialog war ehrlich und konkret“, dankt MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler für die Möglichkeit, dass Unternehmen jeglicher Größen ihre Anliegen direkt adressieren konnten und Gehör fanden. „Die Argumente haben vor Augen geführt, an welchen Stellen es im MDR-Getriebe wirklich hakt und dass die bisherigen Nachbesserungen nicht ausreichen, die eigentlichen Ursachen zu beheben.“ Das Treffen habe den Impuls gegeben, die vorgebrachten Probleme und deren Lösungsansätze in Zusammenarbeit mit den beteiligten Unternehmen zu Papier zu bringen. Hauptanliegen ist, wo immer möglich und vertretbar, die bürokratische und damit auch finanzielle Belastung der Hersteller zu reduzieren (siehe auch INFO). Dazu zählen unter anderem, den fünfjährigen Turnus für Rezertifizierungen abzuschaffen und Post Market Surveillance-Berichtsintervalle anzupassen. Vorschläge werden gemacht, klinische Bewertungen bei Produkten niedriger Risikoklasse zu vereinfachen; in diesem Zusammenhang soll das Äquivalenzprinzip wieder praxistauglich ausgestaltet werden. Diese und weitere Themen spiegeln sich in einem separaten Kapitel zu Orphan Devices (Produkte für seltene Krankheiten und eine kleine Patientengruppe) und Nischenprodukten wider. Bei der Zusammenarbeit mit Benannten Stellen werden die Einführung eines Gesamtkosten-Modells und verbindliche Fristen angemahnt. Als weitere notwendige Schritte sind schlanke Verfahren durch elektronische Gebrauchsanweisungen, mehr Digitalisierung bei der EU-Zulassung und die Abschaffung nationaler Datenbanken genannt. Für Julia Steckeler ruht das Positionspapier auf drei Säulen. Erstens: „Die Punkte werden sowohl von kleineren als auch großen Herstellern mitgetragen, darunter auch Unternehmen, die ihre Produkte bereits MDR-zertifiziert haben.“ Um nachhaltig die richtigen Ziele für die Patientenversorgung und Innovationskraft zu erreichen, müsse die Branche gegenüber der EU-Kommission mit einer Stimme sprechen und zusammenhalten. Zweitens: „Jeder einzelne Aspekt steht in Einklang mit den hohen Anforderungen an Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten.“ Gleichwohl sei der Rotstift dort angesetzt worden, wo Vorgaben keinen erkennbaren Mehrwert für Anwender und Patienten, sondern unnötigen Aufwand für Hersteller und Benannte Stellen mit sich brächten. Drittens: „Die Lösungsvorschläge können in den meisten Fällen ohne großen Aufwand implementiert werden, beispielsweise durch delegierte Rechtsakte.“ Grundlage sei jeweils die gelebte Praxis der Hersteller, denn „alle Änderungen müssen für die Praxis funktionieren“, betont Julia Steckeler. Es gehe darum, genau dieses Wissen, das Vertrauen in die Kompetenz der Branche in den Fokus zu rücken. Wie die einzelnen Punkte rechtswirksam umgesetzt werden könnten, liege wiederum in der Zuständigkeit der EU-Kommission. Bewusst sei auf Forderungen verzichtet worden, deren Umsetzung zu weit in die Zukunft reiche. „Jetzt muss gehandelt werden, nicht erst in ein paar Jahren“, unterstreicht Julia Steckeler die Dringlichkeit: „Jedes Produkt, das heute noch abgekündigt werden muss, ist eines zu viel. Jede Innovation, die aufgrund der Regularien nun die EU verlässt, ist eine zu viel. Jeder weitere Monat des Zögerns ist einer zu viel.“ Das Positionspapier „Änderungsvorschläge für mehr Planungssicherheit, angemessenen Aufwand und weniger Kosten bei der Umsetzung der MDR“ kann in deutscher und englischer Sprache über den Link medicalmountains.de/positionspapier-mdr-2024 bezogen werden.

 

INFO

Die Kernforderungen des Positionspapiers „Änderungsvorschläge für mehr Planungssicherheit, angemessenen Aufwand und weniger Kosten bei der Umsetzung der MDR“ lauten (die Reihenfolge stellt hierbei keine Priorisierung der Themen dar):

  • Unbegrenzte Gültigkeit von Zertifizierungsbescheinigungen: Abschaffung des fünfjährigen Re-Zertifizierungszyklus bei Medizinprodukten aller Risikoklassen nach der erfolgreichen Erstzertifizierung.
  • Einführung eines „Gesamtkosten“-Modells und verbindliche Fristen für Benannte Stellen: Gesamtkosten und Bearbeitungsfristen für das Konformitätsbewertungsverfahren und weitere Verfahren zwischen Benannter Stelle und Unternehmen werden im Voraus fest vereinbart.
  • Einrichtung eines zentralen MDR-Office auf EU-Ebene: Die Planungsunsicherheiten des aktuellen Systems wird durch ein zentrales MDR-Office bei der EU-Kommission aufgelöst. Das MDR-Office treibt die Harmonisierung der MDR-Anforderungen voran und löst Fragestellungen einheitlich.
  • Vereinfachte Ausgestaltung klinischer Bewertungen für Medizinprodukte niedriger Risikoklassen: Für die Risikoklassen I, I* und einige nicht aktive Produkte der Klasse IIa, die bereits fünf Jahre und länger in der EU erfolgreich vermarktet werden, ist eine klinische Bewertung in Form eines vollumfänglichen CEPs und CERs nicht mehr verpflichtend.
  • Praxistaugliche Anwendung des Äquivalenzprinzips und „bewährter Technologien“: Eine Äquivalenzbetrachtung muss wieder praktisch umsetzbar werden. Ebenso sind mehr Klarheit und Produktergänzungen bei „bewährten Technologien“ erforderlich, um bei bestimmten Legacy Devices auf klinische Prüfungen verzichten zu können.
  • Anpassung von PMS-Berichtsintervallen: Anpassung der PSUR-Berichtsintervalle für Medizinprodukte der Risikoklassen IIa bis III ab bestehender Marktpräsenz von vier Jahren. Die Intervalle werden danach auf zwei Jahre bei der Risikoklasse IIb und III und auf vier Jahre bei der Klasse IIa gesenkt.
  • Nicht-signifikante Änderungen ohne Freigabe durch Benannte Stellen: Die immer wieder anzutreffende Praxis, dass Benannte Stellen die Freigabe auch nicht-signifikanter Änderungen für sich in Anspruch nehmen, ist weder durch die MDR noch in Bezug auf Art 120 durch die MDCG-Leitlinie 2020-3 Rev.1 gedeckt.
  • Anpassung der Klassifizierungsregel 6: Klasse-I-Produkte wie einfache Pinzetten und Klemmen, die speziell u.a. am zentralen Kreislauf- oder Nervensystem angewendet werden, sollen nicht mehr automatisch in Risikoklasse III fallen.
  • Schlanke Verfahren durch elektronische Gebrauchsanweisungen und reduzierte Pflicht-Sprachen: Eine nachhaltige Entlastung von Medizintechnik-Unternehmen bei Zeit, Kosten und Ressourcen kann durch elektronische Gebrauchsanweisungen und eine Reduktion der Sprachenvielfalt für professionelle Anwender innerhalb der EU erzielt werden.
  • Digitalisierung der EU-Zulassung und Abschaffung nationaler Datenbanken: Die fehlende vollständige Digitalisierung ist ein Bremsklotz im EU-System. Es braucht eine Plattform, über die zum Beispiel Zusammenfassungen der Technischen Dokumentation, Zusammenfassungen der Unbedenklichkeit und der (klinischen) Leistung sowie PSURs zentral hochgeladen werden können.
  • Orphan Devices und Nischenprodukte: Der MDCG-Leitfaden 2024-10 zur klinischen Bewertung von Medizinprodukten für seltene Krankheiten geht zwar in die richtige Richtung. Es bedarf jedoch weitreichendere Lösungen, die die Rentabilität von und somit die Versorgung mit Orphan Devices und Nischenprodukten sicherstellen.
  • Mehr Klarheit bei harmonisierten Normen: Nach wie vor ist nur ein Bruchteil der Normen harmonisiert, die unter der MDD und AIMD harmonisiert waren. Dies führt zu Unsicherheiten bei Herstellern und Benannten Stellen.
  • Vereinfachter Zugang zu harmonisierten Normen: In seinem Urteil vom 05. März 2023 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass harmonisierte technische Normen Teil des EU-Rechts sind und deshalb frei und kostenlos zugänglich sein müssen, was auch für Hersteller gelten sollten.

 

Quelle: MedicalMountains GmbH