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Microliving, die neue Art zu wohnen!?

Expertenrunde diskutiert im Forum Holzbau die Zukunftsfähigkeit neuer Wohnkonzepte und die Zusammenhänge von Architektur und Wohnsoziologie – Prof. Dr. Tilman Harlander sieht im Immobilienboom Gefahr für weitere Spaltung der Gesellschaft

Eigentlich sollte man denken, dass ein Immobilienboom dazu beiträgt, den Wohnungsmarkt zu entspannen. Dies ist momentan jedoch trotz steigender Bautätigkeit scheinbar nicht der Fall. Im Gegenteil, laut Prof. Dr. Tilman Harlander, Universitätsprofessor em. für Architektur und Wohnsoziologie, Universität Stuttgart, berge der aktuelle Bauboom die Gefahr, die Spaltung der Gesellschaft weiter zu intensivieren. Vor allem deshalb, weil nicht bedarfsgerecht gebaut werde und die weiter steigenden Mieten zu einem Hauptfaktor für ein erhöhtes Armutsrisiko werden, das mittlerweile auch die Mittelschicht betrifft. Wie es dazu kommt und welche Ansätze es gibt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, zeigten Professor Harlander und Architekt Wolfgang Schwarz, Schwarz.Jacobi Architekten Stuttgart, am 24. Oktober 2018 im Forum Holzbau in Ostfildern. Ihre Vorträge bildeten den Auftakt der von Holzbau-Baden-Württemberg und proHolzBW organisierten Fachveranstaltung zum Thema „Microliving – smart, innovativ, urban wohnen“. Im Anschluss diskutierten die Referenten in erweiterter Expertenrunde mit Josef Schlosser, Präsident Holzbau Baden-Württemberg und Gründer der Holzbau SCHLOSSER GmbH, Jagstzell, Dr. rer. nat. Jürgen Frick, Beiratsmitglied Smart Home & Living Baden-Württemberg e.V., Bernhard Thomé, TechTinyHouse GbR, Stuttgart-Plieningen, sowie den 65 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den Bereichen Architektur, Holzbau und Wohnungswirtschaft wie verschiedene Microliving-Konzepte zur Lösung der sozialpolitisch dringenden Frage nach bezahlbarem Wohnraum beitragen können.


Demografischer Wandel setzt neue Nachfragetrends

Neben rasant steigenden Mieten, insbesondere in Wachstumsregionen wie Stuttgart oder Freiburg, stellt auch der demografische Wandel einige Herausforderungen an den Wohnungsmarkt. So muss nicht nur für eine wachsende Bevölkerung gebaut werden. Auch die sich ändernden Lebensmodelle, die Reurbanisierung oder die erhöhte Individualisierung und Singularisierung der Gesellschaft wirken sich in neuen Nachfragetrends für den Wohnungsmarkt aus. Für die neue Vielfalt an Wohnbedürfnissen müsse laut Harlander eine entsprechende Angebotsvielfalt geschaffen werden, die sich jedoch nicht allein an Einzelgruppen, wie älteren Menschen, Flüchtlingen oder Reichen, orientieren sollte, sondern deren Ziel es sein muss nutzbaren Wohnraum für alle zu schaffen. „Urbane, sozial und funktional gemischte Quartiere mit neuen urbanen Wohnformen können aber nur entstehen, wenn neue Bauträgerformen wie Genossenschaften und Bauherrengemeinschaften Chancen bei der Vergabe von Grundstücken erhalten und zugleich für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums gesorgt wird“, so das Fazit des Professors.


Microliving, hohe Funktionalität auf weniger Raum

Kleinere Wohnungen sind in absoluten Zahlen gesehen günstiger. Diese müssen dann aber funktional so gestaltet sein, dass die Lebensqualität den Bedürfnissen der Bewohner trotzdem gerecht wird. Dafür bietet Microliving zahlreiche Ansätze, die vom großen mehrgeschossigen Wohnbau bis zum mobilen Kleinsthaus auf Rädern reichen. Viele moderne Wohnkonzepte bewahren etwa trotz kleinerer privater Wohnbereiche eine hohe Funktionalität durch Gemeinschaftsbereiche, die von mehreren Parteien genutzt werden können. Das kann zum Beispiel ein Gemeinschaftraum für Veranstaltungen sein oder ein separates Zimmer, das alle Bewohner bei Bedarf für Besuch reservieren können. Ein großer Vorteil des Holzbaus liegt in seiner hohen Flexibilität. Moderne mehrgeschossige Gebäude in Holzbauweise werden heute bereits häufig so geplant, dass sich die Wohnbereiche den Lebensphasen der Bewohner anpassen. Aus großen Wohnungen für Familien werden zwei kleinere Wohneinheiten, wenn die Kinder aus dem Haus sind, oder Wohnbereiche werden neu aufgeteilt, weil ein Bewohner pflegebedürftig wird und sich die Anforderungen an die Innenraumgestaltung dadurch ändern.

Quelle: proHolzBW