You are here:

Wenn sich Forschung und Industrie zusammentun – Fraunhofer IPA und Filteranlagenhersteller Schuko sorgen für saubere Luft am Arbeitsplatz

Neuartiges Absaugsystem mit Blasluftströmung in der spanenden Bearbeitung sorgt für weniger Feinstaub und geringeren Energieverbrauch.

Wenn sich im Land der Tüftler und Erfinder ein führender Filteranlagenhersteller Europas und das Forschungsinstitut mit dem reinsten Raum der Welt zusammentun, muss eine saubere Sache dabei entstehen. In einem zweijährigen Forschungsprojekt widmeten sich die Firma Schuko und das Fraunhofer IPA aus Stuttgart der Herausforderung, die Späne- und Staubabsaugung in der Holz- und Faserverbundwerkstoffzerspanung neu zu erfinden. Und das mit durchschlagendem Erfolg. Das Resultat: Weniger Feinstaub, geringerer Energieverbrauch und ein zufriedener Pilotkunde.

Die Landesagentur für Leichtbau Baden-Württemberg präsentiert diese Innovation mit ihrem ThinKing im Oktober 2017. Die Leichtbau BW GmbH gibt mit diesem Label monatlich innovativen Produkten oder Dienstleistungen im Leichtbau aus Baden-Württemberg eine Plattform.

Wo gehobelt wird, fallen bekanntlich auch Späne. Doch was der Heimwerker mit Besen und Staubsauger erledigt, muss in einer industriellen Produktion automatisiert geschehen. Egal, ob bei faserverstärkten Kunststoffen oder in der Holzindustrie. Denn manuelle Reinigungsarbeiten sind nicht nur teuer, sie senken auch die Maschinenverfügbarkeit und unterbrechen den Takt einer Serienproduktion. Generell sollten die Arbeitskräfte nicht in Kontakt mit Fein- und Faserstäuben kommen, die potenziell gesundheitsgefährdend sein können.

Darum setzt man auf leistungsstarke Absauganlagen, um das Spangut aus der Maschine abzutransportieren und in einem Filter abzuscheiden. Konventionelle Anlagen stoßen jedoch schnell an ihre Grenzen, denn die Reichweite von Absaugströmen ist limitiert. Eine reine Steigerung der Absaugleistung bringt meist nur eine höhere Stromrechnung mit sich, die Späne-Erfassung verbessert sich aber nur eingeschränkt.

Komplett neuer Ansatz von Schuko und Fraunhofer IPA
Ein Team der Firma Schuko und des Fraunhofer IPAs setzte daher auf einen völlig neuartigen Ansatz: Ein Absaugsystem, das einen Teil der abgesaugten und gefilterten Luft nutzt, um die Späne und Stäube zur Absaughaube zu blasen. Der Clou dabei: Eine Blasluftströmung hat eine etwa 30-fach höhere Reichweite als eine Absaugluftströmung. Dieses Prinzip kennt jedes Kind, denn eine Kerze auszublasen ist leicht - sie durch Einatmen zu löschen dagegen schier unmöglich.

Um diesen neuartigen Ansatz umzusetzen, mussten zwei Gewerke vereint werden, die sonst separat behandelt werden: Die Filteranlage und Werkzeugmaschine. Denn nur wenn das Zusammenspiel aus Blasluft- und Absaugströmungen optimal auf die Maschinengeometrie und den Zerspanprozess abgestimmt sind, wird das Spangut vollständig erfasst. Darum wurden die Zusammenhänge in einem zweijährigen öffentlich-geförderten ZIM-Projekt grundlegend untersucht.

Absaugsystem mit Blasluftströmung erzielt deutlich höhere Reichweite
Die Partikel mittels Blasluft dorthin zu blasen, wo sie abgesaugt werden, hilft vor allem bei der Bearbeitung von komplex geformten Bauteilen, wie sie bei modernen Faserverbundwerkstoffen vorliegen. Das Problem hierbei: Die Partikel werden durch das Zerspanwerkzeug - meist Fräser - in alle Raumrichtungen ausgeworfen. Die Absaughaube ist hierbei meist weit entfernt an der Decke oder der Kapselung der Maschine angebracht, um den Zerspanprozess nicht zu stören. Und so ist das Ergebnis meist bescheiden. Dieses Problem kennt jeder Hobbykoch: Je weiter die Dunstabzugshaube von der Pfanne entfernt ist, desto schlechter das Ergebnis. Ein Dilemma, das man in der Industrie durch teure Speziallösungen oder immer stärkeren Absauganlagen versucht zu lösen.

Hier spielt das neue Absaugsystem seine Stärken aus, denn es hat durch die Blasluftströmung eine viel höhere Reichweite. Somit kann die Leistung der Ventilatoren reduziert werden, trotz einer deutlich verbesserten Späne-Erfassung. Ein weiterer Vorteil: Durch eine Aufteilung der Luftströme in Blasluft und Abluft müssen nur etwa 20 Prozent der abgesaugten Luft feingefiltert und an die Umwelt abgegeben werden. Die verbleibenden 80 Prozent werden lediglich grobgefiltert und wieder als gezielte Blasluft eingesetzt. Dies ermöglicht eine weitere Energieeinsparung und senkt darüber hinaus den Verbrauch an Frischluft.

Pilotanlage im badischen Gochsheim überzeugt auf ganzer Linie
Diese Vorteile überzeugten auch die Firma Polytec, die im badischen Gochsheim GFK-Bauteile fertigt und mit mehreren Fräsmaschinen und Roboterfräszellen bearbeitet. Und so wurde nach Abschluss des Forschungsprojekts Ende 2016 die erste Pilotanlage des neuen Absaugsystems für zwei Roboterfräszellen installiert. Unterstützt wurde das Projekt vom Umweltministerium Baden-Württemberg, das die Potenziale zur Energieeinsparung und Feinstaubminimierung für die baden-württembergische Industrie erkannte.

Schnell zeigte sich, dass das System die Erwartungen auch in einer industriellen Serienfertigung voll erfüllt. Der Fertigungsleiter schwärmt: "Durch das neue Absaugsystem ist die Staubbelastung der Arbeitsplätze gesunken, was zu einer Steigerung des Gesundheitsschutzes und der Mitarbeiterakzeptanz geführt hat. Auch konnten die Reinigungsarbeiten der Bauteile um ein Vielfaches reduziert werden." Ein deutlicher Vorteil also für die Mitarbeiter und das Unternehmen. Dr. Wolfgang Seeliger, Geschäftsführer der Leichtbau BW GmbH, betont die zukunftsweisende Bedeutung der Innovation: "Bei der Herstellung von Bauteilen aus faserverstärkten Kunststoffen (FVK) oder Holzwerkstoffen ist die spanende Bearbeitung ein essentieller Schritt in der Wertschöpfungskette. Das neuartige Absaugsystem ist somit nicht zuletzt ein Meilenstein für den Leichtbau. So erweist sich die Zusammenarbeit aus Forschung und Industrie - einmal mehr - als echte Erfolgsstory".

Quelle: Leichtbau BW