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Frühdiagnostik aus Baden-Württemberg hilft resistente Erreger zu stoppen

Die Meldungen zu multiresistenten Erregern häufen sich. Darunter versteht man Bakterienstämme, die sich aufgrund von Mutationen nicht mehr mit den üblichen Antibiotika bekämpfen lassen. Allein in deutschen Krankenhäusern infizieren sich alljährlich etwa 30.000 Menschen mit einem solchen Keim. Mit geeigneten Hygienemaßnahmen und Diagnosemethoden könnte dies verhindert werden. Im Forscherland Baden-Württemberg wurden innovative Testsysteme entwickelt, um eine sichere und schnelle Diagnose zu ermöglichen.

Auch wenn in Baden-Württemberg insgesamt deutlich weniger Fälle von MRSA - dem häufigsten und bekanntesten Vertreter der antibiotikaresistenten Bakterien - diagnostiziert werden als in den anderen Bundesländern, darf man sich auf diesen Zahlen nicht ausruhen. So steigt beispielsweise die Anzahl der Infektionen mit Tuberkulose-Bakterien, bei denen immer mehr Resistenzen auftreten, auch hierzulande stetig an. Wenn unsere herkömmlichen Antibiotika nicht mehr helfen und auch Reserveantibiotika nach und nach versagen, können schon leichte Infektionen und besiegt geglaubte Krankheiten wieder sehr gefährlich für uns werden. Insbesondere dort, wo sich viele Menschen auf engem Raum befinden, können sich Keime gut ausbreiten. Dies gilt zum Beispiel für stark frequentierte öffentliche Toiletten, wie an Flughäfen, und im Besonderen für Krankenhäuser, wo sich infizierte, erkrankte und immungeschwächte Personen die Türklinke in die Hand geben. Neben äußerst sorgfältiger Hygiene kann eine frühzeitige Diagnose helfen, die Keimübertragung zu verhindern.

Diagnose - Geschwindigkeit ein wichtiger Faktor

Der Befund erfolgt, indem Probenmaterial von spezialisierten Diagnoselaboren untersucht wird. Je nach Testverfahren kann es mehrere Tage dauern, bis die Ergebnisse vorliegen. Da aus logistischen Gründen über diese Dauer oftmals keine Quarantäne des Patienten möglich ist, könnte sich ein hochansteckender Erreger rasant ausbreiten. Ein schnelles Verfahren zur Ermittlung von Erregern und ihren Eigenschaften ist daher wichtig, um zeitnah mit der richtigen Therapie zu beginnen und eine Ausbreitung im Krankenhaus zu verhindern. Dadurch werden weitere Resistenzbildungen eingedämmt. Die baden- württembergische Hain Lifescience GmbH hat unter anderem zum Nachweis von Tuberkulose moderne Testsysteme entwickelt, die die Zeit im Labor bis zum Vorliegen der Ergebnisse auf wenige Stunden verkürzen.

Dank einfach anzuwendender Systeme, die vollautomatisiert ablaufen und direkt vor Ort in den Stationen eingesetzt werden können, ist inzwischen auch die Diagnose auf der Station oder in der Notaufnahme möglich. Je nach Erreger gibt es hochspezialisierte Diagnosetools, die schon nach kurzer Zeit Ergebnisse liefern und damit eine zügige Isolation, bzw. eine spezifische Therapie ermöglichen. Das Freiburger Start-up-Unternehmen SpinDiag GmbH beispielsweise ermöglicht es Ärzten, Patienten bei der Krankenhausaufnahme effizient auf die 25 relevantesten Antibiotika-Resistenzen zu testen. So können betroffene Patienten in Isolation behandelt werden und eine Ausbreitung der Keime wird verhindert.

Neue Therapien gefragt

Was die Verordnungsmenge von Antibiotika in Deutschland angeht, befindet sich Baden- Württemberg im Mittelfeld. Diese wenig rühmliche Statistik wird vom Saarland angeführt. In der Behandlung stellen multiresistente Erreger (MRE) eine besondere Herausforderung dar, denn der hohe Antibiotikaverbrauch der letzten Jahrzehnte beschleunigte die Resistenzentwicklung. Reserveantibiotika - dies sind spezielle Antibiotika, die nur bei Infektionen mit resistenten Erregern angewandt werden - stellen in vielen Fällen die letzte Möglichkeit dar, und auch hierfür entwickeln die Bakterien bereits Abwehrmechanismen. Damit wir in naher Zukunft nicht ohne wirksame Antibiotika bleiben, arbeitet die medizinische Forschung mit Hochdruck an neuen Therapiemöglichkeiten. Dies ist nicht einfach, denn Stoffe, die Bakterien töten, gibt es zwar zuhauf, meist schädigen sie allerdings auch den Menschen. Doch 88 Jahre nach der zufälligen Entdeckung des Penicillins gab es am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) der Universität Tübingen einen erneuten Glückstreffer in der Antibiotika-Forschung: Die dortigen Wissenschaftler haben entdeckt, dass ein in der menschlichen Nase siedelndes Bakterium einen bisher unbekannten antibiotischen Wirkstoff gegen multiresistente Erreger produziert. Die Forschungsergebnisse sind im Wissenschaftsjournal "Nature" veröffentlicht.

"Antibiotika sind eine der wichtigsten Erfindungen in der Medizin und wir alle sind gefragt, verantwortungsvoll mit ihnen umzugehen, damit wir Infektionskrankheiten nicht irgend- wann schutzlos gegenüberstehen. Wir sind stolze Unterstützer all der kleinen, mittleren und großen Unternehmen, die in unserem Land unermüdlich forschen und Diagnose- und Heilmittel entwickeln, um Resistenzen bestmöglich entgegenzuwirken", so Prof. Dr. Ralf Kindervater, Geschäftsführer der Landesgesellschaft BIOPRO Baden-Württemberg GmbH.

Quelle: BIOPRO