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Kreativbranche in Stuttgart -Impulsgeber für Innovation

Die Wirtschaftsförderer der Region schlagen mit bei einem Event zur Kreativbranche in Stuttgart die Brücke zwischen Musik und Technologie – das steht für einen Trend.

Was hat Musik mit Autos zu tun? Wenn Robin Hoffmann, Mitgründer des Startups HearDis bei den hiesigen Autoherstellern zum Vortrag fährt, dann kann er den einen oder anderen Aha-Effekt auslösen. „Sie können im Gegensatz zum Verbrennungsmotor die Geräusche, die ein E-Auto macht, ganz individuell gestalten“, sagt er. Solche Geräusche sind aus Sicherheitsgründen sogar Pflicht. „Das Auto könnte dann vor einer Grundschule, wo es deutlich hörbar sein muss ganz anders klingen als nachts im Wohngebiet.“ Oder was könne einen Aufenthalt an einer E-Ladesäule, der länger ist als heute an der Tankstelle, besser verkürzen als Musik? „Na so was, da wären wir selber nicht darauf gekommen – eine solche Reaktion gibt es immer wieder“, sagt er.

© iStock.com/gabort71

Hoffmanns Stuttgarter Startup HearDis hat sich mithilfe von Datenanalysen und Künstlicher Intelligenz darauf spezialisiert aus einer riesigen Datenbank mit Musikstücken, marketinggerechte Klangerlebnisse zu entwerfen. Das kann der passende Sound für das Auto-Werbevideo sein oder der Musikteppich für den Kleiderladen.

 

Kreativbranche in Stuttgart bringt Querdenker-Ideen

Es sind solche Querdenker-Ideen, die Walter Ercolino vom Popbüro der Region Stuttgart für einen bisher unterschätzten Schlüsselfaktor für Innovation in der Wirtschaft insgesamt hält. Bisher, da sind sich Hoffmann und Ercolino einig, seien die Welten der Kreativunternehmer einerseits sowie der Ingenieure und Technikentwickler in der Region andererseits immer noch zu sehr getrennt. Es gebe zu wenige Events, auf denen man sich begegne. „Wir stehen erst ganz am Anfang, dass man sich gegenseitig wahrnimmt“, sagt Ercolino. „Ich glaube aber, dass die Offenheit inzwischen groß ist“, sagt Hoffmann. Denn längst seien die Grenzen zwischen Kreativität, Technologie, Kultur und Wirtschaft nicht mehr klar zu ziehen.

 „Die Musikbranche war immer auch ein Technologietreiber“, sagt Ercolino und erinnert beispielsweise an die Musikplattform Napster, die das Internet mit geprägt habe. Die fehlende Wahrnehmung der Kreativbranche in Stuttgart  habe auch damit zu tun, dass sie sehr zersplittert sei, während in der Industrie größere Firmen den Ton angäben, sagt Hoffmann:  „Und man muss ehrlicherweise sagen, dass die Kreativen hier gerade erst dabei sind, sich selber besser zu vernetzen.“

 

Kreativbranche in Stuttgart wird oft unterschätzt

  Die Rolle des Kreativbereichs nicht nur für die Wirtschaftskraft, sondern auch für das Image der Region werde teilweise immer noch unterschätzt. „Wenn sie heute einen Mitarbeiter nach Stuttgart locken wollen, dann müssen sie dem sagen können, was hier auch jenseits der Arbeit los ist“, sagt Hoffmann – der gerade ein neues Teammitglied in Mailand gefunden hat.  

Die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart  verknüpft deshalb am Wochenende bei einem Event im Rahmen des Wissenschaftsfestivals die Themen Musik und Technologie. „Halt – übernehmen nun Roboter die Sache?“, heißt übersetzt der – natürlich englische – Titel der Veranstaltung,. Dort will man auch Technologie- und Wirtschaftsexperten für ein kreatives Thema interessieren. Hier lässt unter anderem auch ein experimenteller Künstler Roboter ganz un-elektronisch die Trommel schlagen.

 

Ohne Kreative kein Kulturwandel bei Innovation

Innovation bedeute einen Kulturwandel – und das müsse in allen Bereichen der Wirtschaft ankommen, sagen Ercolino und Hoffmann. In der Kreativbranche arbeite man schon lange so, wie es etablierte Firmen im Zeitalter der Digitalisierung erst anstreben: Kleine Einheiten, flexible Teams, permanente Innovation. Das sei innerhalb  bestehender Unternehmensstrukturen nicht einfach. „Ich bin mir sicher, dass in zehn Jahren in der Autobranche das Auto als solches nicht mehr die Rolle spielen wird wie heute,“ sagt Hoffmann. Es brauche neue Ideen, um das Fahrzeug zum Erlebnisraum zu machen, etwa mit Ton und Musik – und dafür seien Kreative prädestiniert.

Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsförderung sieht in der Kreativbranche ein für die Gesamtwirtschaft der Region noch lange nicht gehobenes Potenzial. Es lohne sich, in digitale Medienzukunft zu investieren, heißt es in dem Positionspapier, das sich vor allem mit den Unternehmen im Bereich Trickfilm und Animation beschäftigt. Dieser Bereich könne neben Automobil- und Maschinenbau zu einem weiteren Schwerpunkt für das Markenzeichen „made in Baden-Württemberg“ werden, heißt es. Es müsse der „wirtschaftliche Durchbruch in den milliardenschweren Märkten Film, TV, Onlineplattformen und Games gelingen.“ Dieser Branche werde „mit ihrer Bedeutung und ihrem Nutzwert für die Gesamtentwicklung der Industrie nicht genügend aus gesamtwirtschaftlicher Sicht betrachtet“. Allerdings fehlen bisher genaue Statistiken zur wirtschaftlichen Bedeutung und Beschäftigtenzahl, was in der Studie auch bemängelt wird. Die Schlussfolgerungen sind für die Kreativbranche insgesamt übertragbar.

 

Auch die gesamte Wirtschaft profitiert

Ercolino und Hoffmann reihen hier auch die Unternehmen aus dem Bereich Musik-Technologie einreihen – die im Vergleich zu der international bereits anerkannten Animationsbranche  noch nicht so sehr auf dem Radarschirm sei.

Entscheidend sei es, Akteure aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzubringen: „Ich hatte in Mathe nur einen Punkt, aber trotzdem rede ich über Technologien wie die Künstliche Intelligenz, weil ich mir kreativ vorstellen kann, was man damit machen kann“, sagt Hoffmann. Als Partner brauche es dann Menschen mit technologischer Kompetenz, die das umsetzen könnten – und hier sei die Region Stuttgart ein starker Standort. HearDis profitiert schon heute von der starken, traditionellen Wirtschaft, weil das Unternehmen bei der Musikanalyse Geschäftskunden als Zielgruppe hat: „In Berlin gibt es vielleicht die Ideen – aber da fehlen die Kunden.“

 

Event zu Musik und Technologie
Am Samstag (29. Juni 2019) stand im Stuttgarter Veranstaltungszentrum Laboratorium innovative Musiktechnologie im Mittelpunkt. Unter dem Motto „Musik & Technologie“ ging es um das Spannungsfeld zwischen musikalischer Kreativität und vor allem digitalen Technologien. Künstliche Intelligenz ist beispielsweise schon heute in der Lage, eigenständig Musikstücke zu komponieren. Aber auch die immer perfektere Datenanalyse von Musikstücken und Empfehlungs-Algorithmen prägen längst die Alltagserfahrung.
Das veranstaltende Pop-Büro der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart hat hier die Brücke zwischen Kreativen und Technologieexperten schlagen. Ein Beispiel, wie sich hier neue wirtschaftliche Möglichkeiten auftun, zeigte als einer der Podiumsteilnehmer Robin Hoffmann, der mit seinem Startup HearDis Musik und Marketing dank Hightech miteinander verbindet.

Quelle: Ideenwerk BW