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Rückblick: Cluster Medi_Netz bei CorTec GmbH in Freiburg

Das Medi_NETZ im wvib war zu Gast beim Freiburger Medizintechnikunternehmen CorTec GmbH.

Quelle: www.wvib.de

Es startete 2010 als Spin-off der Universität Freiburg. Mit der Entwicklung und Fertigung von Hirn-Computer-Schnittstellen ist CorTec mit seinen Geschäftsführern Dr. Jörn Rickert und Dr. Martin Schüttler ganz vorn dabei, diese Technologie in verschiedenste Anwendungen zu bringen.

Seit 2018 entwickelt und fertigt das Unternehmen inzwischen mit über 50 Mitarbeiter in eigenen Reinräumen im FWTM-Gebäude am Freiburger Messplatz.

Dr. Jörn Rickert stellte den Teilnehmern des wvib Medi_NETZ sein Unternehmen vor, dessen Ursprünge auf die Brain Maschine Interface Initiative an der Uni Freiburg im Jahre 2003 zurückgehen. Fundamental für ein Medizintechnikunternehmen ist ein QM-System, das bereits 2013 zertifiziert wurde, noch bevor 2014 erste Produkte in die Industrie und die Forschung gingen.

Das visionäre Ziel für CorTec ist, als Ergänzung oder als Ersatz für Medikamente die Technik für individualisierte Neurotherapien zur Verfügung zu stellen. Dazu nutzt CorTec die Brain Interchange Technologie mit implantierten Elektroden und Sensoren.

Sowohl die Energieversorgung der Sensoren wie auch die Datenübermittlung erfolgt drahtlos durch die Schädeldecke. CorTec sieht sich dabei als Technologiepartner für Elektroden und implantierte aktive Sensoren, mit denen in der klinischen Forschung personalisierte Therapien entwickelt werden können.

Die Brain Interchange Technologie könnte durch die Künstliche Intelligenz (KI) beflügelt werden, die die Gehirnaktivitäten analysiert und dann in der Closed Loop das Gehirn entsprechende stimuliert. Mögliche Anwendungsfeld sind Krankheiten wie etwa Parkinson, Depressionen oder chronischer Schmerz. Ein mögliches Ziel wäre auch, Patienten, die nicht mehr sprechen können, wieder Kommunikation zu ermöglichen.

Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat im März 2019 die AirRay Cortical Electrode, eine Elektrode zum invasiven Neuromonitoring, für den klinischen Gebrauch in den USA zugelassen. Das erste Medizinprodukt des jungen Freiburger Unternehmens wird künftig als diagnostisches Hilfsmittel beispielsweise vor Hirnoperationen genutzt.

Für seine Entwicklung wurde das Freiburger Unternehmen schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel als "Innovator 2019" von Brandeins oder zuletzt der Freiburger Innovationspreis 2019.

Die anschließende Diskussion zeigte, dass neben den rein technischen Herausforderungen viele weitere Fragen offen sind. Dazu gehört beispielsweise die Frage, ob und wie KI zukünftig validiert werden kann und von benannten Stellen zugelassen wird.

Am Universitätsspital Basel forscht PD Dr. Jens Eckstein PhD als Leitender Arzt und Chief Medical Information Officer (CMIO) zu Anwendungen der Klinischen IT.

Er bezeichnete sich selbst noch zu 70% als Kliniker. Als CMIO sieht er sich vor allem als Übersetzer zwischen Informatikern und Ärzten. In einem Parforceritt durch heutige und zukünftig absehbare Anwendungen der Medizintechnik am Universitätsspital Basel (USB) zeigte er den Teilnehmern seine Sichtweise aus der Praxis. Die Hardware wird immer kleiner und preisgünstiger werden, sich im einfachsten Fall auf das Smartphone oder eine Smartwatch reduzieren.

Dr. Eckstein ist überzeugt, dass sich allein mit der Smartwatch und deren optische Sensoren in Kürze Blutdruck und Atmung überwachen lassen. Apple schaffte es in kürzester Zeit mehrere hunderttausend Teilnehmer für eine klinische Studie mit der Apple Watch zu gewinnen. Heutiges Equipment wie Ultraschallgeräte werden dank MEMS-Technologie immer preisgünstiger, so dass sie auch für Privathaushalte erschwinglich werden.

Angeschlossen an ein Smartphone übermittelt es die Bilder an den richtigen Arzt zur Analyse. Systeme mit künstlicher Intelligenz wie Ada schlagen Ärzten mögliche Diagnosen vor. Dies ist vor allem auch eine Chance sogenannte seltene Krankheiten zu erkenne, die ein Arzt womöglich noch nie selbst gesehen hat.

In Kliniken werden aus heutiger Sicht über Bluetooth alle Patienten über Wearables beobachtet werden. Für die Indoor-Navigation installierte das Spital in Basel 2500 Beacons.

Für die digitale Innovation gibt es seit diesem Jahr am Basler USB den Future Friday. Jeder Mitarbeiter kann seine Idee einbringen und hat die Chance für sechs Monate freigestellt zu werden, um innerhalb dieser Zeit einen Proof of Concept zu erarbeiten.

Auch im Bereich der klinischen Anwendung der Digitalisierung sind noch viele Fragen offen, insbesondere fehlt es an Standards für die Schnittstellen und viele klinische Daten. Wenn es das öffentliche Gesundheitssystem nicht schafft Standards zu setzen, werden das private Unternehmen tun. Dann stellt sich vor allem die Frage, wem die aufgenommenen Daten und das Recht, sie für jegliche Zwecke auszuwerten, gehören.

Normalerweise bietet das wvib Medi_NETZ die Gelegenheit die Kontakte bei Gesprächen weiter zu vertiefen. Dieses Mal war jedoch alles anders. Kurz nachdem sich der Moderator des Medi_NETZ, Edgar Jäger vom wvib bei den Gastgebern Dr. Jörn Rickert und Dr. Martin Schüttler sowie PD Dr. Jens Eckstein bedankt hatte, beendete die Polizei das Treffen.

Wegen einer amerikanischen Fliegerbombe, die beim alten Güterbahnhof in der nähe der Freiburger Messe gefunden worden war, wurde auch das FWTM Gebäude geräumt. Das nächste Treffen des wvib Medi_NETZ ist für Oktober 2019 geplant

Quelle: www.wvib.de