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WM: Neuauflage der Strukturstudie BW 2023

Die automobile Wertschöpfung verändert sich weltweit mit immer größerer Dynamik und Intensität. Die Strukturstudie 2023 beleuchtet die Auswirkungen von Elektrifizierung und Automatisierung auf die Wertschöpfung und Beschäftigung am Standort Baden-Württemberg.

 

 

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Quelle: WM BW

Auch der traditionsreiche baden-württembergische Automobilstandort ist vom Wandel betroffen. Rund 136 Milliarden Euro Jahresumsatz erwirtschaftete allein die hiesige Fahrzeug- und Fahrzeugteileherstellung im vergangenen Jahr. Doch wie sich die globalen Entwicklungen auf die zukünftigen Wertschöpfungs- und Beschäftigungsstrukturen auswirken können, wird mit wachsender Unsicherheit betrachtet. Die neue Strukturstudie BW 2023 stellt daher die Herausforderungen insbesondere durch Elektrifizierung, Digitalisierung und Automatisierung dar. Die Studie zeigt aber auch die wirtschaftlichen und technologischen Chancen, die sich am Automobilstandort Baden-Württemberg ergeben. Darüber hinaus bietet sie einen Aktionsplan für Politik und Unternehmen, um die wirtschaftliche Stärke des baden-württembergischen Automobilclusters zu erhalten.

"Der vor uns liegende Transformationsprozess ist sehr komplex und birgt mehrdimensionale Herausforderungen", sagte Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesagentur e-mobil BW, die Herausgeber der Studie ist. "Dennoch gibt es Grund für Optimismus. Der Standort Baden-Württemberg hat mit seinen hochqualifizierten Arbeitskräften, seinen fortschrittlichen Forschungseinrichtungen und seiner starken industriellen Basis hohes Potenzial, um weiterhin eine führende Rolle in der globalen Mobilitätslandschaft zu spielen."

Szenarien des Hochlaufs von Elektromobilität

Die Strukturstudie BW 2023 simuliert neben dem Hochlauf der Elektromobilität im Pkw-Sektor erstmals auch den Hochlauf im Nutzfahrzeugsektor mithilfe des DLR-Tools VECTOR21. Die Szenarien zeigen, dass rein batterieelektrische Pkw im Jahr 2030 einen Marktanteil zwischen 34 Prozent und 57 Prozent an den Neuzulassungen erreichen. Rein batterieelektrische Lkw erreichen laut Szenario-Berechnungen im Jahr 2030 in Deutschland Neuzulassungsanteile zwischen 31 Prozent und 50 Prozent. Damit sind im günstigsten Fall ca. 10 Millionen batterieelektrische Pkw und ca. 0,9 Millionen Lkw im deutschen Fahrzeugbestand bis zum Jahr 2030 verfügbar. Das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen rein elektrischen Fahrzeugen bis 2030 wird somit nach dieser Prognose verfehlt und die damit bedingte Klimawirkung für den Verkehrssektor nicht erreicht. Dasselbe gilt für die Klimaziele im Lkw-Güterverkehr, die in den unterschiedlichen Szenario-Berechnungen der Studie nicht erfüllt wurden.

Entwicklungen des Automotive-Clusters in Baden-Württemberg

Das automobile Wertschöpfungscluster in Baden-Württemberg umfasst nicht nur Fahrzeughersteller und -zulieferer. Dort sind aktuell 315.000 Personen beschäftigt. Zum erweiterten Wertschöpfungscluster zählen auch Unternehmen, die die Automobilindustrie beliefern, aber nicht auf Kraftfahrzeuge spezialisiert sind, wie z.B. der Maschinenbau oder verschiedene Dienstleister. Dort sind rund 66.600 Menschen beschäftigt. Weitere rund 98.500 Beschäftigte zählen zu den verwandten Branchen und sind etwa im Automobilhandel, bei Tankstellen oder Raffinerien angestellt. Das vollständige Automobilcluster in Baden-Württemberg ist heutzutage somit rund 480.100 Beschäftigte stark.

Produktivitätseffekte und Automatisierung haben über Jahre hinweg und insbesondere in der Produktion zu Beschäftigungsabbau geführt. So ist der Anteil der Inlandsproduktion deutscher Hersteller von rund 50 Prozent im Jahr 2008 auf 25 Prozent im Jahr 2021 gesunken. Durch digitale Technologien werden sich Rationalisierungseffekte zukünftig auch vermehrt auf Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung (FuE) auswirken. Dazu kommt der zunehmende Kapazitätsaufbau für Produktion und FuE im Ausland durch Hersteller und Zulieferer. Das Fortschreiten der grundlegenden Branchentrends führen im baden-württembergischen Automobilcluster zu einem anhaltenden Beschäftigungsrückgang um ein Prozent pro Jahr.

Das Automotive-Cluster schrumpft

Die Strukturstudie BW 2023 zeigt, dass Beschäftigung durch den batterieelektrischen Antriebsstrang in Baden-Württemberg aufgebaut wird. Durch Unterschiede bei der Komplexität der Antriebsstränge und in den Wertschöpfungsketten kann dieser Beschäftigungsaufbau jedoch nicht den Wegfall beim konventionellen Antriebsstrang ausgleichen. Die Studie berechnet bis 2030 einen möglichen Rückgang der Beschäftigung im Automobilcluster Baden-Württemberg um acht bis 14 Prozent. Das entspricht einem Verlust von 37.600 bis 66.000 Arbeitsplätzen im gesamten Cluster. Mit Blick auf den demografischen Wandel und der dadurch geringeren Zahl an zu Verfügung stehenden Fach- und Arbeitskräften können die Beschäftigtenzahlen bis 2030 sozial verträglich abgebaut werden. Stärker fallen die rechnerischen Beschäftigungseffekte der Transformation (über -30 Prozent) durch den vollständigen Wegfall des Verbrennungsmotors bis 2040 aus. Beiden Studienszenarien liegt die Annahme zugrunde, dass der Wertschöpfungsanteil baden-württembergischer Standorte gesichert wird, d.h. dass die im Land ansässigen Firmen ihre bisherigen Marktanteile im Automobilsektor auf Elektrofahrzeuge und Komponenten des automatisierten Fahrens übertragen können und am Standort festhalten. Dies bewertet die Studie jedoch kritisch.

Die detaillierte Betrachtung macht deutlich, dass einzelne Segmente des Automotive-Clusters stärker von der Transformation betroffen sind als andere. Insbesondere Produktionsstandorte für Komponenten und Teile sowie FuE sind in sehr viel stärkerem Maß vom Beschäftigungsrückgang betroffen. Einen leichten Beschäftigungsaufbau berechnet die Studie aufgrund des automatisierten Fahrens. In diesem Bereich können bis zum Jahr 2030 rund 5.200 neue Stellen geschaffen werden. Bis 2040 wird ein weiterer Anstieg auf ca. 7.300 Beschäftigte erwartet.

Ein Aktionsplan für das Automotive-Cluster

Die in der Strukturstudie BW 2023 erarbeiteten Zahlen zum Beschäftigungsrückgang und den Hochlauf-Szenarien von Elektromobilität zeigen deutlich, dass Politik und Unternehmen unverzüglich handeln und die Transformation der Automobilindustrie in Baden-Württemberg weiter aktiv gestalten müssen. Wo angesetzt werden kann und sollte, skizziert die Studie in einem dreistufigen Aktionsplan. Ziel ist es, das Automotive-Cluster in Baden-Württemberg als führend in der Elektromobilität und beim automatisierten Fahren zu etablieren.

  • Die erste Handlungsstufe konzentriert sich darauf, Grundlagen zu erhalten und ausbauen:Verfügbarkeit von (international) konkurrenzfähigen Industriestandorten
  • Strom aus erneuerbaren Energien zu international konkurrenzfähigen Preisen
  • Ausbau der Ladeinfrastruktur für Strom und Wasserstoff
  • Finanzierung

Die zweite Handlungsstufe nennt Maßnahmen, um das Wertschöpfungscluster für den elektrischen Antriebsstrang und automatisiertes Fahren umbauen:

  • Produktionsaufbau für den elektrischen Antriebsstrang
  • Förderung des Nutzfahrzeugsegments
  • Förderung industrieller Serienproduktion mit mittleren Stückzahlen
  • Qualifizierungsoffensive Elektromobilität
  • Qualifizierungsoffensive zum digitalisierten Fahrzeug
  • Ausbau FuE-Kapazitäten

Und die dritte Handlungsstufe zielt darauf ab, die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern:

  • Verfügbarkeit von Wasserstoff als Energieträger für Fahrzeuge
  • Recycling von Traktionsbatterien als nächster und zentraler Baustein einer Kreislaufwirtschaft
  • Umsetzung automatisierten Fahrens ermöglichen

Die Umsetzung der einzelnen Stufen bedarf jedoch gemeinsamer und erheblicher Anstrengungen von Unternehmen, Politik und Gesellschaft.

Politische Statements

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg: "Die Beschäftigungsverluste im Verbrennersektor können hier am Standort nur dann durch den Aufbau neuer Technologien kompensiert werden, wenn unsere Fachkräfte entsprechend qualifiziert werden. Initiativen wie der Strategiedialog Automobilwirtschaft BW, die Weiterbildungsplattform ' 'fortbildung-bw' sowie die Lotsenstelle 'Transformationswissen BW' spielen eine entscheidende Rolle und unterstützen mit vielen niederschwelligen Angeboten. Unser Ziel ist es, die Qualifizierungsmaßnahmen noch besser an die spezifischen Anforderungen verschiedener Arbeitsfelder anzupassen und gleichzeitig die Transparenz in den Angeboten zu erhöhen."

Winfried Hermann, Minister für Verkehr Baden-Württemberg: "Die Studie ist ein Weckruf zum Handeln. Sie zeigt neben den Auswirkungen auf Industrie und Arbeitsplätze, dass der Antriebswechsel allein nicht ausreichen wird, um die Klimaziele im Verkehrs-Sektor bis 2030 zu erfüllen. Es ist daher notwendig, weitere Maßnahmen zur CO2-Reduktion, also die Verlagerung auf umwelt- und klimafreundliche Mobilitätsformen, umzusetzen. Unter Anderem soll dazu das geplante Landesmobilitätskonzept beitragen."

Über die Studie

Die Strukturstudie BW 2023 wurde im Auftrag der Landesagentur e-mobil BW GmbH unter Federführung des Instituts für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. und dem IMU-Institut erstellt. In regelmäßigen Abständen soll die Strukturstudie aufzeigen, wie sich der Markthochlauf der Elektromobilität bis 2030 entwickeln kann und davon ausgehend, wie sich diese auf Wertschöpfung und Beschäftigung im baden-württembergischen Automobilcluster auswirken. An der Begleitung der Studie sind im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg (SDA) auch die Ministerien des Landes beteiligt, wie das Staatsministerium, das Wirtschaftsministerium, das Verkehrsministerium, das Innenministerium, das Wissenschaftsministerium und das Umweltministerium. Um die Rahmenbedingungen für das Gelingen des Transformationsprozesses einer der baden-württembergischen Leitindustrien zu schaffen und dabei gerade auch kleinere und mittlere Unternehmen im Land gezielt zu unterstützen, wurden über den SDA und andere Maßnahmen bereits über eine Milliarde Euro Landesmittel bereitgestellt. Weitere Informationen zu den Aktivitäten des Landes innerhalb des SDA finden Sie auf www.sdabw.de.

 

Quelle: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg